Wie wir die aktuelle Situation sehen

Wir sind uns bewusst, dass Schule in Rheinland-Pfalz nicht ohne ihre Einbindung in die KMK-Grundsatzbeschlüsse gedacht und verstanden werden kann. Hierzu gehören als wichtigste die Bestimmungen über die Schularten, die dreigegliederten Abschlüsse und das Notensystem.

Das Schulsystem der BRD wurde in den 60er Jahren einer umfassenden inhaltlichen Kritik unterzogen. Daraus entstand das Konzept einer einheitlichen demokratischen Schule, die Integrierte Gesamtschule. Sie ist die einzige Schulform, die ohne das dreigegliederte System auskommt. Allerdings verläuft die Entwicklung in diese Richtung eher schleppend und in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Oft wird zudem mit den Einschränkungen durch die KMK argumentiert in Verkennung des Beschlusses vom 10.5.2001, mit dem die KMK neuerdings nicht mehr auf Detailregelungen setzt, sondern auf Rahmenvorgaben.12

Die Landesregierung Rheinland-Pfalz (RLP) und die sie stützenden Parteien zeichneten sich in der Vergangenheit nicht dadurch aus, dass sie zielgerichtet diesen Rahmen nutzen, um das vorhandene, an den dreigegliederten Abschlüssen orientierte Schulsystem zu einer wahrhaft inklusiven Schule zu entwickeln. Insbesondere wuchern die politisch Verantwortlichen nicht mit dem Pfund, dass die IGS eine bei Eltern geachtete, geschätzte und stark nachgefragte Schule ist. Auch die Ratifizierung der UN-BRK war bisher nicht Anlass, den notwendigen Paradigmenwechsel einzuleiten, obwohl es dazu schon viele Hilfestellungen und Erläuterungen zu notwendigen Aktivitäten und zur Implementierung gibt.13

Stattdessen haben wir in RLP folgende Rahmenbedingungen für Inklusion, die wir kritisch sehen:

* Schwerpunktschulen (SPS) haben die Aufgabe, Kinder mit Behinderung inklusiv zu unterrichten. Die Kinder werden somit in eine neue Schule separiert.

* Förderschulen existieren weiter neben Grundschulen, Realschulen plus, Gymnasien und integrierten Gesamtschulen.

* Der Übergang Schule – Beruf ist strukturell und inhaltlich nicht gelöst.

* Der Elternwille entscheidet grundsätzlich über den Schulbesuch (SPS oder Förderschule), die Schulaufsicht entscheidet über den konkreten Förderort.

* Einige Förderschulen werden laut Schulgesetz zu sog. Förder- und Beratungszentren (FBZ) „weiterentwickelt“. Die Lehrkräfte dort sollen neben ihrer Unterrichtsverpflichtung als Förderschullehrkräfte Kolleginnen und Kollegen an Schwerpunkt- und/oder Regelschulen mit gemeinsamem Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern beraten und unterstützen, ebenso Eltern hinsichtlich des optimalen Schulortes. FBZ sind letztlich nur Maßnahmen zur Standortsicherung von Förderschulen. Sie stehen im Widerspruch zur Zielsetzung eines inklusiven Schulsystems.14

* Nach wie vor werden Kinder durch ein sonderpädagogisches Fördergutachten etikettiert. Es dient lediglich der Zuweisung.

* Lehrkräfte werden in verschiedenen, am separierenden System orientierten, Lehrämtern ausgebildet.

* Das Schulsystem insgesamt ist geprägt von selektierenden Vorgaben (Notengebung, zwangsweises Wiederholen einer Klasse, Abschulung, Empfehlungen für weiterführende Schulen etc.), die laut der empirischen Bildungsforschung seit langem keine Legitimation mehr haben.15

Welche Ziele wir vor Augen haben

Pro Inklusion fordert von den politisch Verantwortlichen, alle Anstrengungen auf die Umsetzung der Inklusion im Sinne der UN-BRK auszurichten. Dazu gehören als übergeordnete Ziele

1. Alle Kinder besuchen eine gemeinsame Schule.

2. Für die Aus-, Fort- und Weiterbildung gilt die Leitidee für inklusive Bildung. Lehrkräfte und andere pädagogische Berufe erhalten eine einheitliche, gleichwertige, ggf. an Altersstufen orientierte Ausbildung (Fach/Alter/Diagnostik einer bes. Behinderung/…), die zu inklusiver Kompetenz führt.

3. Es findet eine aktive Förderung von Wissenschaft und Forschung zur UN-BRK an den Hochschulen statt.